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( 47 . Wandel.) 4.

der Errettung der Menschheit vor dem unternehmungssüchtigen Genie nicht minder wie vor der zu Taten aufgeregten Dummheit oft genug zugute gekommen! Unwillkürlich übertrug Ulrich die Anschauung der Wahrscheinlichkeit immer weiter auf geistige und geschichtliche Ereignisse und den mechanischen Begriff der Durchschnittlichkeit auf den sittlichen; und kam so auf die Zweiseitigkeit des Lebens zurück, bei der er angefangen hatte. Denn die Schranken und der Wechsel der Ideen und Gefühle, ihre Vergeblichkeit, die rätselhafte und trügerische Verbindung zwischen ihrem Sinn und der Verwirklichung seines Gegenteils, alles und ähnliches ist als innewohnende Folge auch schon mit der Annahme gegeben, daß eins so möglich sei wie das andere. Diese Annahme bedeutet aber den Grundbegriff, woraus die Wahrscheinlichkeitsrechnung ihren Inhalt schöpft, und ist deren Begriffsbestimmung des Zufalls; daß sie auch den Gang der Welt kennzeichnet, erlaubt also den Schluß, daß dieser nicht viel anders ausfiele, als er ist, wenn alles gleich nur dem Zufall überlassen bliebe.

Agathe fragte, ob es nicht die Wahrheit in launischer Absicht verdüstere und ein romantischer Pessimismus sei, wenn man den Weltlauf dem Zufall gleichstelle.

"Nichts weniger als das!" entgegnete dem Ulrich. „Wir haben bei der Vergeblichkeit aller hochgemuten Erwartungen begonnen, und es hat uns gedeucht, daß sie ein tückisches Geheimnis sei. Und Aber wenn wir sie jetzt mit den Regeln der Wahrscheinlichkeit vergleichen, so erklären wir dieses Geheimnis, das man in Ehrfurcht mit einem Wort, das spöttisch mit seinem berühmten Gegenwort spielt, die ‚prästabilierte Disharmonie’ der Schöpfung nennen könnte, anspruchslos und einfach und zugleich erklären wir gar auch die sich allerenden als einziges stabilierende Durchschnittlichkeit einfach und anspruchslos könnte, einfach und überaus anspruchslos dadurch, daß einfach nichts dawider geschieht! Die Entwicklung bleibt sich selbst überlassen, kein geistig ordnendes Gesetz wird ihr auferlegt; aber sie folgt scheinbar dem Zufall; und wenn dabei auch nicht das wahre entstehen kann, so begründet dieselbe Voraussetzung doch wenigstens das Wahrscheinliche! Zugleich erklären wir, aus dem Wahrscheinlichen, also aber auch die sich als einziges stabilierende Durchschnittlichkeit, die allerenden ihre doch höchst unerwünschte Zunahme fühlen läßt. Daran ist also nichts Romantisches, und vielleicht nicht einmal etwas Verdüstertes; es wäre wohl, gern oder ungern, eher ein unternehmungslustiger Versuch!"

Trotzdem wollte er darüber nicht mehr sagen und ließ das scheinbar geistreiche Unternehmen auf sich beruhen, ohne über die Einleitung hinausgekommen zu sein. - Er hatte das Gefühl, etwas Großes ungeschickt und umständlich berührt zu haben. Das Große war die tiefe Zweideutigkeit der Welt, daß sie so zurück wie vorwärts zu gehen scheint und bestürzend neben erhebend ist . ; und daß Diese ihre Geschichte und der Eindruck, den sie auf eine m n geistigen Menschen macht, wird leicht verständlich durch die natürliche Bemerkung, daß sie doch auch s einen anderen Eindruck schon deshalb nicht machen kann, weil ihre Geschichte nicht sein eben nicht die des bedeutenden, sondern doch