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( 52 . Atemzüge ..) 2.

Ulrich damals vorgelesen. Vielleicht war die Wiedergabe jetzt nicht genau, das Gedächtnis verfährt etwas befehlshaberisch mit dem, was es zu hören wünscht; aber sie begriff, es was gemeint war, und faßte einen Beschluß Entschluß. Wie in diesem Augenblick des Blütenzugs hatte der Garten also schon einmal geheimnisvoll verlassen und belebt ausgesehen; und zwar gerade in der Stunde, nachdem ihr von den Büchern ihres Bruders die mystischen Bekenntnisse in die Hand gefallen waren . , die Ulrich unter seinen Büchern besaß. Die Zeit stand still, ein Jahrtausend wog so leicht wie ein Öffnen und Schließen des Auges, sie war ans Tausendjährige Reich gelangt, Gott gar gab sich vielleicht zu fühlen. Und während sie, obwohl es doch die Zeit nicht mehr geben sollte, eins nach dem andern das empfand; und während Ulrich ihr Bruder , damit sie bei diesem Traum nicht Angst leide, neben ihr war, obwohl es auch keinen Raum mehr zu geben schien: schien die Welt, unerachtet dieser Widersprüche, in allen Stücken erfüllt von Verklärung zu sein.

Was sie seither erlebt hatte, konnte ihr nicht anders als gesprächig gemäßigt im Vergleich mit dem erscheinen, was vorangegangen war; aber welche Erweiterung und Bekräftigung sollte es diesem doch auch geben, wenngleich es die fast körperwarme Unmittelbarkeit der ersten Eingebung darüber verloren hatte! Unter diesen Umständen beschloß Agathe, diesmal mit Vorbedacht der Entzückung zu begegnen, die sie vormals in diesem Garten beinahe traumhaft befallen hatte. Sie wußte nicht, warum sie damit den Namen des Tausendjährigen Reiches verband. Es war ein gefühlhelles Wort und war beinahe faßbar wie ein Ding, blieb aber dem Verstand unklar. Deshalb konnte sie mit dieser Vorstellung umgehen, wie wenn das tausendjährige Reich in jedem Augenblick anbrechen könnte. Es wird auch das Reich der Liebe genannt, das wußte Agathe ebenfalls; doch erst als letztes dachte sie daran, daß beide diese Namen schon seit den Zeiten der Bibel überliefert werden und das Reich Gottes auf Erden bedeuten, dessen nahe bevorstehender Anbruch in völlig wirkliche m r Sinn Bedeutung gemeint ist. Übrigens benützte zuweilen auch Ulrich, ohne deshalb an die Schrift zu glauben, zuweilen diese Worte ebenso unbefangen wie seine Schwester; und so wunderte es diese schon gar nicht, daß sie ohne weiters scheinbar ohne weiters auch wußte, wie man sich im Tausendjährigen Reich zu verhalten habe. „Man muß sich darin ganz still betragen" sagte ihr eine Eingebung. „Man darf keinerlei Verlangen Platz lassen; und nicht einmal dem, zu fragen. Auch der Verständigkeit muß man sich entäußern,