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V 6 34 Kap 52

51.
Es ist nicht einfach, zu lieben.

Eine bequeme Stellung und gemächlicher Sonnenschein, der zärtlich ist, ohne zudringlich zu sein, förderten diese Gespräche; und diese entstanden zumeist zwischen zwei Liegestühlen, die nicht sowohl in den Schutz und Schatten des Hauses gerückt wurden als vielmehr in das beschattete Licht, das vom Garten her kommend, an den noch morgendlichen Mauern eine Mäßigung seiner Freiheit erfuhr. Freilich durfte man nicht glauben, daß die Stühle dort standen, weil die Geschwister - angeregt durch die im gewöhnlichen Sinn bestehende und im höheren vielleicht drohende Unfruchtbarkeit ihrer Beziehung - die Absicht gehabt hätten, ihre Meinung Schopenhauerisch=indisch über das täuschende Wesen der Liebe auszutauschen und sich gegen ihre deren zur Fortsetzung des Lebens verlockende n Täuschungen Wahnwirkung durch Zergliederung zu wehren; sondern was das Halbschattige, Schonende und zurückgezogen Neugierige wählen hieß, wäre einfacher zu erklären. Der Gesprächsgegenstand selbst war so beschaffen, daß sich in der unendlichen Erfahrung, durch die der Begriff der Liebe erst deutlich wird, die verschiedensten v V erbind enden W ungsw ege bemerken lassen ließen , die von einer Frage zur andern führen. So führten denn auch die zwei Fragen, wie man seinen Nächsten liebe, den man nicht kenne, und wie sich selbst, den man noch weniger kennt, die Neugierde zu der beide umfassenden Frage, wie man denn wohl überhaupt liebe; was oder anders gesagt, was die Liebe wohl „eigentlich" sei. Das mag auf den ersten Blick etwas altklug anmute t. Es mag n und auch wahrlich eine allzu verständige Frage für ein Liebespaar sein. Aber sie gewinnt an Geistesverwirrung, sobald man sie auf Millionen Liebespaare und ihre Verschiedenheit ausdehnt.

Diese Millionen sind nicht nur persönlich ( und teils durch das Unpersönliche was ihr Stolz ist ), sondern nicht weniger auch nach Tun, Gegenstand und Art der Liebe auch nach Arten des Tuns, Gegenstands und der Beziehung verschieden. Manchmal kann man von Liebespaaren überhaupt nicht sprechen, und doch von Liebe; manchmal von Liebespaaren, aber nicht von Liebe, wobei es etwas gewöhnlich er zugeht. Denn Und das Wort im ganzen umfaßt so viel Widersprüche wie der Sonntag in einer kleinen Landstadt, wo die Bauernburschen um zehn Uhr des m M orgens zur Messe gehn, um elf Uhr in einer kleinen Nebengasse das Freudenhaus besuchen, und um zwölf Uhr am Hauptplatz ins Wirtshaus zum Essen und Trinken eintreten. Hat es Sinn, ein solches Wort rund herum zu untersuchen? Aber indem man es benützt, handelt man unbewußt, als ob man bei allen Unterschieden etwas Gemeinsamen inne wäre! Es ist tausend und eins, einen Spazierstock