Mappe V | 6 | 22

M M M
05 06 22
V 6

( 50 . Schwierigkeiten ...) 3.

"Es kommt also überhaupt auf nichts an!" rief Agathe abschließend aus. „Nicht auf das, was einer ist, nicht auf das, was er meint, nicht auf das, was er will, und nicht auf das, was er tut."

Es war ihnen deutlich, daß sie von der Sicherheit der Seele sprachen, oder, da man ein so großes Wort wohl besser meidet, von der Unsicherheit, die sie - das Wort nun bescheiden ungenau und im ganzen gebraucht - in der Seele fühlten: Und daß von Liebe die Rede war, wobei sie einander an deren Wandelbarkeit und Verwandlungskunst erinnerten, geschah nur deshalb, weil diese eines der heftigsten und bestimmtesten Gefühle ist, und trotzdem ein so verdächtiges Gefühl vor dem strengen Gefühl des richtenden Erkennens, daß es selbst dieses ins Wanken bringt. Daran hatten sie aber schon einen Beginn gefunden, als sie kaum in der Sonne der Nächstenliebe gewandelt waren; und sich der Behauptung entsinnend, daß man sogar in dieser holden Benommenheit nicht wisse, ob man wirklich die Menschen, und ob man die wirklichen Menschen liebe, oder ob man, und durch welche Eigenschaften, von einer Einbildung und Umbildung geprellt werde, zeigte sich Ulrich redlich beflissen, das zwischen Gefühl und Erkennen bestehende fragliche Verhältnis wenigstens jetzt , und so, wie es sich aus dem gerade geführten Gespräch verstummten Geplauder erg ab ebe , durch einen Knoten festzuhalten.

"Diese beiden Widersprüche sind darin immer vorhanden und bilden ein Viergespann" meinte er. „Man liebt einen Menschen, weil man ihn kennt; und weil man ihn nicht kennt. Und man erkennt ihn, weil man ihn liebt; und kennt nicht ihn, weil man ihn liebt. Und manchmal steigert sich das so, daß es plötzlich sehr fühlbar wird. Das sind dann die berüchtigten Augenblicke, wo Venus durch Apoll, und Apoll durch Venus auf einen leeren Haubenstock blicken und und sich höchlich darüber verwundern, vorher dort etwas anderes gesehen zu haben. Ist da aber dann die Liebe stärker als das Erstaunen, so kommt es zu einem Kampf zwischen diesen beiden, und manchmal geht daraus die Liebe - wenngleich erschöpft, verzweifelt, und unheilbar verwundet - noch einmal als Siegerin hervor. Ist sie aber nicht so stark, so kommt es zu einem Kampf zwischen den sich betrogen wähnenden Personen; zu Beleidigungen, zu rohen Einbrüchen der Wirklichkeit, zu Entehrungen bis ins letzte, die es wieder gutmachen sollen , daß man der Einfältige gewesen sei -" Er hatte diese Unwetter der Liebe oft genug mitgemacht, um sie heute gemächlich beschreiben zu können.

Agathe aber machte dem nun doch ein Ende. „Wenn du nichts dagegen hast, möchte ich bemerken, daß diese ehelichen und unehelichen Ehrenaffären im ganzen doch sehr überschätzt werden!" wandte sie ein und suchte sich wieder eine bequeme Stellung aus.