Mappe V | 6 | 17

M M M
05 06 17
V 6

( 48 . .. Nächsten ..) 9.

"Soll das die Antwort auf meine Frage sein," verlangte Ulrich , diese Frage etwas verändernd, zu wissen „ob ohne sinnliches Begehren selbst die heftigste Liebe - welcher Art immer es auch wäre," fügte er diesmal hinzu irgend eine Liebe, mag sie auch groß sein, ohne sinnliche s Begehren Erfüllung mehr als der Schatten einer Liebe sein kann? In Schon in aller Liebe jedem Begehren, d ie as nicht auch den Sinnen etwas zu tun gibt, ist eine schweigende Trauer!"

"Ich bin liebevoll und liebeleer, und beides zugleich" klagte Agathe lächelnd und mit einer kleinen, verzagten Gebärde auf alle Welt weisend.- Es war die Klage des Herzens, worin Gott so tief eingedrungen ist wie ein Dorn, den keine Fingerspitzen fassen können. In den Bekenntnissen der Mystiker, die mit ihrer ganzen menschlichen Seele und Körperlichkeit nach ihm verlangen, unterbricht diese eigenartige Verzweiflung immer wieder die Augenblicke der aufs nächste herangekommenen Verklärung; und die Geschwister erinnerten sich nun beide der Stunde im Garten, da Agathe aus einem Buch solche Worte Beispiele ihrem Bruder vorgelesen hatte. Nachdem sie sich darüber verständigt hatten, sagte Ulrich: „Etwas von dieser Mystik ist auch in der Nächstenliebe; alle fühlen es und gehorchen ihr, ohne sie zu verstehn. Und vielleicht enthält jede große Liebe etwas Mystisches, vielleicht sogar schon jede große Leidenschaft. Vielleicht ist sogar im gemäßigten Leben , in allen uns tief öffnenden Augenblicken die mystische Anteilnahme an Menschen und Dingen eine mystische, und etwas anderes als eine wirkliche!"

"Und was ist eine ‚mystische Anteilnahme’, wenn nicht bloß keine wirkliche?" fragte Agathe.

Ulrich überlegte eigentlich nicht, wohl zögerte er aber. Schließlich sagte er mit viel Bestimmtheit: „Sieh doch, man ist zugleich liebevoll und liebeleer. Man liebt alles und nichts einzelnes. Man kann sich , im Gegensatz dazu von der geringfügigsten Kleinigkeit kaum nicht loslösen, und zugleich fühlt man, daß alles zusammen nicht von Wichtigkeit ist: Ein Wellenberg und ein Tal Das sind Widersprüche; beides zugleich kann scheinbar nicht wirklich sein. Und doch ist es wirklich; es hätte ja gar keinen Sinn, das zu leugnen! Wenn ich dich also nicht bitten kann, unter mystische m r Anteilnahme eine religiöse Zauberei zu verstehen, so bleibt nur die Annahme übrig, daß es zwei Arten, die Wirklichkeit zu erleben, gibt, die sich uns mehr oder weniger aufnötigen!"

Manchmal entstehen in einer begünstigten Minute, und eng vereinigt, die Antworten auf diese Fragen, die, vereinzelt und stockend, wechselnde Unruhe bereitet haben. Manchmal täuscht diese Verkürzung auch; doch bleibt sie immer ein Vorblick. Als der Einfall ausgesprochen Eine solche Minute war die des Einfalls, daß es in der Welt zwei Arten von Wirklichkeit, besser gesagt daß es zwei Arten der weltlichen Wirklichkeit gibt gebe. Als das ausgesprochen