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48.
Hingabe und Zurücknahme. Liebe deinen Nächsten wie dich selbst

Es ließe sich von vielem sagen, daß es Ulrichs Worte bestimmt haben mochte oder in mit seinen Gedanken deutlich oder flüchtig mit ihnen verbunden gewesen sei. Zum Beispiel war es nicht lange her, daß er zu seiner Schwester an dem unglücklichen Abend bei Diotima , und sogar auch zu anderen, von der großen Unordnung der Gefühle gesprochen hatte, der man die große Geschichte nicht viel anders wie die kleinen Meinungsverwirrungen und schlimmen Geschichten verdanke, deren eine sich damals gerade ereignete. Aber sobald er jetzt etwas Nachdenkliches sagte, das allgemeine Bedeutung haben mochte, hatte er die Empfindung, daß solche Worte um einige Tage zu spät aus seinem Mund kämen. Es fehlte ihm das Verlangen, sich mit Angelegenheiten abzugeben, die ihn nicht unmittelbar angingen, oder es hielt nur aufs kürzeste vor; denn seine Seele war über bereit, sich der Welt mit allen Sinnen hinzugeben, wie immer diese auch wäre. Sein Urteil spielte dabei sogut wie keine Rolle. Es bedeutete sogar fast nichts, ob ihm etwas gefiel oder nicht. Denn es ergriff ihn einfach alles mehr, als er verstehen konnte. Ulrich war es gewohnt, sich mit anderen Menschen zu beschäftigen; aber es war immer so geschehen, wie es Gefühle und Ansichten mit sich bringen, die im großen gelten sollen, und jetzt geschah es im kleinen, einzelnen und unbegründet zu jeder Einzelheit haltend; und war fast ein Zustand, den er vor weniger Zeit selbst bei Agathe in den Verdacht gebracht hatte, er sei eher das Mitgefühlsverlangen einer Natur, die an nichts wahrhaft teilnehme, als wirkliches Mitfühlen. Das war damals gewesen, als er bei einer nicht geringen Meinungsverschiedenheit über die Bedeutung der ihm wenig bekannten Person des Professors Lindner die verletzende Behauptung aufgestellt hatte, daß man an nichts und niemand so teilnehme, wie es sein müßte. Und in der Tat, auch wenn der Zustand, worin er sich jetzt befand, eine Weile angedauert und ein volles Maß erreicht hatte, wurde es ihm unangenehm oder erschien ihm lächerlich, und er war dann auf ebenso unbegründete Weise wie zur Hingabe auch bereit, diese Hingabe wieder zurückzunehmen.

Aber Agathe 4 erging 2 es 3 diesmal 1 1 - 4 . auf ihre Art nicht viel anders. Ihr Gewissen war bedrückt, wenn ihm der Aufschwung fehlte; denn sie hatte sich einen zu großen Schwung genommen und fühlte sich wie eine Frau, die auf einer Schaukel steht, dem Urteil ausgesetzt. Dann In solchen Augenblicken fürchtete sie Bedrängnisse von seiten eine Rache der Welt für die Willkür, mit in der sie sonst mit Männern umsprang, die von der Wirklichkeit mit Ernst sprachen; wie ihr herausgeforderter Gatte und der heftig um ihre Seele bemühte Er